Steffen Kotré 19/8918 – Wirkung des Kohleausstiegs auf den CO2-Ausstoß

Von admin|24. Mai 2019|kleine Anfragen|0 Kommentare

auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Steffen Kotré, Tino Chrupalla,
Enrico Komning, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der AfD
– Drucksache 19/8219 –

Wirkung des Kohleausstiegs auf den CO2-Ausstoß

Vorbemerkung der Fragesteller

Die Bundesregierung plant den Ausstieg aus der Verstromung von Stein- und
Braunkohle in Deutschland mit dem Ziel, die nationalen Kohlendioxidemissionen zu reduzieren. Zur Erarbeitung entsprechender Maßnahmen wurde die
„Kommission für Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ (im Folgenden „Kohlekommission“ genannt) eingesetzt. Der Kohleausstieg wird voraussichtlich zu unnötigen Mehrkosten in dreistelliger Milliardenhöhe führen und dabei je nach rechtlicher Umsetzung entweder einen unwesentlichen oder gar keinen Beitrag zur Vermeidung von CO2 innerhalb der Europäischen Union
leisten. Bezogen auf das CO2-Budget, das zur Einhaltung des „2-Grad-Ziels“
derzeit weltweit noch verbleibt, würde der deutsche Kohleausstieg voraussichtlich nur zu einer Einsparung von 0,1 Prozent führen. Die tatsächliche „Klimaschutzwirkung“ wäre also unerheblich (www.ewi.research-scenarios.de/cms/wp-content/uploads/2016/05/ewi_ers_oekonomische_effekte_deutscher_kohleausstieg.pdf).
Es ist nach Auffassung der Fragesteller offensichtlich, dass aus volkswirtschaftlicher Sicht deutlich kosteneffizientere politische Instrumente zur CO2-Vermeidung innerhalb der EU vorhanden sind und die Bundesregierung diese bewusst
nicht nutzen will. Auch die „Kohlekommission“ hat keine alternativen Maßnahmen formuliert. Eine Studie beziffert die voraussichtlichen CO2-Vermeidungskosten eines deutschen Kohleausstiegs auf mindestens 78 Euro je Tonne CO2,
Im Jahreswirtschaftsbericht 2019 wird erwähnt, dass die Bundesregierung bisher noch keine Entscheidung darüber getroffen hat, ob sie die im Rahmen eines
Kohleausstiegs freiwerdenden Emissionsberechtigungen tatsächlich löschen
wird. Dies wäre jedoch zwingende Voraussetzung dafür, dass die gehandelte
Emissionsmenge und damit auch die EU-weiten Emissionen tatsächlich zurückgehen.
Derzeit befinden sich weltweit rund 1 400 Kohlekraftwerke mit einer Gesamtleistung von ca. 670 Gigawatt in Planung oder Bau (www.handelsblatt.com/unternehmen/energie/energiepolitik-deutschland-treibt-den-ausstieg-voran-dochweltweit-boomt-die-kohle/23141178.html?ticket=ST-1031340-ObhN9H7YEhcH1CzeRCcU-ap6). Es ist daher nicht nachvollziehbar, inwiefern ein deutscher Kohleausstieg einen nennenswerten Effekt auf die globalen Emissionen
und damit auf das Weltklima haben soll.
Auch Australien hat aus seinen Blackout-Erfahrungen gelernt und plant derzeit den
Bau neuer Kohlekraftwerke zur Wahrung bzw. Wiederherstellung der Versorgungssicherheit (www.zeit.de/wissen/2017-02/australien-hitzewelle-stromversorgungkohlekraftwerk-erneuerbare-energien/seite-2).
Die Bundesregierung möchte das auf der UN-Klimakonferenz 2015 in Paris formulierte, wissenschaftlich nicht begründete Ziel, wonach die Erderwärmung auf
höchstens 2° C gegenüber „vorindustriellen Werten“ zu begrenzen ist, einhalten
und richtet die nationale Klimaschutzpolitik ohne Rücksicht auf die damit verbundenen Nachteile entsprechend aus (www.bundesregierung.de/breg-de/themen/jahresberichte-der-bundesregierung/jahresbericht-der-bundesregierung2015-2016/innovationen-und-zukunftsstrategien/klima-und-umweltschutz).
Weder das Pariser Klimaschutzabkommen noch die Bundesregierung selbst geben hierzu einen konkreten „vorindustriellen“ Ausgangswert an. Dies wäre jedoch zwingende Voraussetzung dafür, die Zielerreichung der teuren Klimaschutzmaßnahmen überhaupt ermitteln zu können.
Neben der klima- und energiepolitischen Sinnlosigkeit eines erzwungenen Kohleausstiegs wird dieser nachteilige Auswirkungen auf die nationale Versorgungssicherheit, den Bundeshaushalt und die betroffenen Regionen haben.

1. Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass der europäische Emissionshandel EU-ETS nach seiner letzten Reform ein wirksames Instrument zur kosteneffizienten Vermeidung von CO2 innerhalb der Europäischen Union
ist?
a) Wenn ja, welche Vorteile bringt dann ein politisch erzwungener Ausstieg
aus der Kohleverstromung, wenn der Emissionshandel ohnehin zur volkswirtschaftlich günstigsten Variante der CO2-Vermeidung führt?
b) Wenn nein, zu welchem Zweck wird dann überhaupt das EU-ETS betrieben, und warum beteiligt sich die Bundesregierung an einem aus ihrer
Sicht unwirksamen System?

Antwort der Bundesregierung:

Der EU-ETS garantiert, dass ein vorher festgelegtes Mengenziel über alle einbezogenen Unternehmen und Sektoren EU-weit sicher und kosteneffizient erreicht wird. Die Bundesregierung hat sich bei der Reform des EU-ETS erfolgreich für  Maßnahmen zur Stärkung der Anreize für Investitionen in emissionsmindernde  Technologien eingesetzt.  Der EU-ETS ist jedoch nicht auf die Erreichung nationaler Ziele ausgelegt, wie  sie im Koalitionsvertrag festgelegt und im Mandat doraber Kommission „Wachstum,  Strukturwandel und Beschäftigung“ enthalten sind. Insofern ermöglicht der EUETS keine gleich zuverlässige Alternative zu einer schrittweisen Reduzierung der Kohleverstromung. Zudem ist zu berücksichtigen, dass mit einer schrittweisen Beendigung der Kohleverstromung die Planungssicherheit erhöht und insbesondere Strukturbrüche vermieden werden. Auch diese Aspekte sind Teil der Empfehlungen der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“. Die  Bundesregierung wird auf dieser Grundlage die Umsetzbarkeit der Vorschläge  prüfen und ein konkretes Umsetzungskonzept entwickeln.

2. Wie bewertet die Bundesregierung die Einschätzung, dass die CO2-Vermeidungskosten das wesentliche ökonomische Kriterium bei der Wahl einer
CO2-Vermeidungsstrategie sind, und wie begründet sie ihre Bewertung?

Antwort der Bundesregierung:

Die Bundesregierung hat im Klimaschutzplan 2050 für die Sektoren Energiewirtschaft, Verkehr, Gebäude, Industrie und Landwirtschaft Zielkorridore zur Emissionsminderung bis 2030 gegenüber 1990 beschlossen. Damit soll sichergestellt  werden, dass alle Sektoren angemessen zum deutschen Minderungsziel von mindestens minus 55 Prozent beitragen. Zudem wurde die Voraussetzung dafür geschaffen, dass Deutschland auch seine europäischen und internationalen Verpflichtungen einhält. Die Sektorziele schaffen Planungs- und Investitionssicherheit. Um die Sektorziele zu erreichen, erarbeitet die Bundesregierung ein Maßnahmenprogramm. Das Maßnahmenprogramm wird mit Folgenabschätzungen  unterlegt, die neben den Treibhausgas-Vermeidungspotenzialen auch ökonomische, soziale und (sonstige) ökologische Wirkungen umfassen. Im Rahmen dieser  Bewertungen werden auch die CO2-Vermeidungskosten der jeweiligen Handlungsalternativen zu berücksichtigen sein. Alle Bewertungen fließen in die Auswahl der Maßnahmen ein.

3. Welche energiepolitischen Maßnahmen und Szenarien versprechen aus Sicht
der Bundesregierung die niedrigsten CO2-Vermeidungskosten und welche
die höchsten?
4. Von welchen Kosten (in Euro je vermiedener Tonne CO2) geht die Bundesregierung in Frage 3 jeweils aus?

Antwort der Bundesregierung:

Die Fragen 3 und 4 werden gemeinsam beantwortet.  Die der Bundesregierung bekannten, zum Teil von dritter Seite vorgelegten Szenarien kommen oft zu divergierenden Aussagen über die Vermeidungskosten einzelner Maßnahmensets bzw. vergleichbarer Szenarien. Die Bezifferung von Vermeidungskosten ist dabei oft stark annahmegetrieben. Auch unterscheidet sich  der Kostenbegriff zwischen verschiedenen Szenariountersuchungen, beispielsweise danach, ob externe Effekte in die Kostenberechnung einfließen. Aus diesen  Gründen sind unter den verschiedenen Szenarien die mit den absolut höchsten  und geringsten CO2-Vermeidungskosten nicht ohne Weiteres bestimmbar.  Die Bundesregierung untersucht diese Fragen im Rahmen der Maßnahmenplanung zur Erreichung der Klimaziele 2030.

5. Hat die Bundesregierung Kenntnis von Berechnungen zu CO2-Vermeidungskosten inklusive aller Kostenfaktoren eines politisch erzwungenen
Kohleausstiegs, und wenn ja, von welchen Kosten (in Euro je vermiedener
Tonne CO2) geht sie aus?

Antwort der Bundesregierung:

Der Bundesregierung liegen keine derartigen Berechnungen vor. Solche Berechnungen sind erst dann möglich, wenn alle Maßnahmen hinreichend detailliert und  ihre finanziellen Implikationen valide geschätzt werden können.  Des Weiteren wird auf die Antwort zu den Fragen 3 und 4 verwiesen.

6. Stellen Ankauf und Stilllegung von CO2-Zertifikaten über das EU-ETS aus
Sicht der Bundesregierung ein klimawirksames und kosteneffizientes Mittel
zur Reduzierung von CO2-Emissionen innerhalb der Europäischen Union
dar?
a) Wenn ja, was spricht dann angesichts der erheblichen Preisdifferenz zwischen den voraussichtlichen CO2-Vermeidungskosten im Rahmen eines
Kohleausstiegs und dem CO2-Preis innerhalb des EU-ETS aus volkswirtschaftlicher Sicht für einen Ausstieg aus der Kohleverstromung?
b) Wie begründet sie ihre Einschätzung?

Antwort der Bundesregierung:

Das Ziel, die nationalen Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent und in der Energiewirtschaft um 61 bis 62 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren, kann durch eine nationale Löschung von Zertifikaten aus dem EU-ETS nicht zuverlässig erreicht werden. Es lässt sich zudem nicht konkret vorhersagen, wie sich die Preise im EU-ETS in der Zukunft entwickeln werden, wie sich eine  Löschung von Zertifikaten auf den Zertifikatepreis auswirken würde und welche  Anpassungsreaktionen diese Preisänderung im deutschen und europäischen  Kraftwerkspark und im Strommarkt nach sich ziehen würde. Im Übrigen regelt  die EU-ETS Richtlinie 2003/87/EC nicht den staatlichen Ankauf von Zertifikaten, sondern die Möglichkeit für Mitgliedstaaten, im Fall der Stilllegung von Stromerzeugungskapazitäten aufgrund zusätzlicher nationaler Maßnahmen Zertifikate aus der Gesamtmenge der Zertifikate, die von ihnen gemäß Artikel 10 Absatz 2 zu versteigern sind, zu löschen.

7. Hat die Bundesregierung zwischenzeitlich eine Entscheidung darüber getroffen,
ob sie die im Falle eines vorzeitigen Kohleausstiegs freiwerdenden Emissionsrechte dauerhaft stilllegen wird, und wenn ja, zu welchem Ergebnis ist
sie gekommen?

Antwort der Bundesregierung:

Nein.

8. Welche Interessengruppen haben aus Sicht der Bundesregierung einen monetären Vorteil durch die Umverteilung von Steuermitteln im Rahmen eines
nach Ansicht der Fragesteller politisch erzwungenen Kohleausstiegs, wenn
die potenzielle CO2-Vermeidung auf anderem Wege voraussichtlich erheblich günstiger zu erreichen wäre?

Antwort der Bundesregierung:

Ziel und Auftrag der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ war es, einen Konsens mit u. a. den Gewerkschaften, Wirtschaftsverbänden und Vertreterinnen und Vertretern der Regionen zu Strukturwandel und Kohlereduktion zu finden. Es gab und gibt insofern einen breiten politischen Konsens,  nicht nur eine Emissionsreduktion anzustreben, sondern zugleich die Regionen  bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze und der Förderung wirtschaftlicher Aktivität zu unterstützen.

9. Wie bewertet die Bundesregierung die deutschen Bemühungen zur Reduzierung von CO2-Emissionen in Hinblick auf den weltweit starken Zubau von
neuen Kohlekraftwerken bzw. die Erlaubnis für andere Staaten, ihren CO2-
Ausstoß weiter zu steigern, und wie begründet sie ihre Bewertung?

Antwort der Bundesregierung:

Die Bemühungen Deutschlands, seine nationalen, europäischen und internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, sind auf einem guten Weg. Die Arbeit sowie der  Abschlussbericht der Kommission „Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung“ sind Beispiele für einen gelungenen gesellschaftlichen Kompromiss.  Die Europäische Union hat als eine Partei des Übereinkommens von Paris ein  gemeinsames Minderungsziel (national determined contribution, NDC) eingereicht, an dem Deutschland seinen Anteil leisten wird. Einer der Grundsätze dieser Vereinbarungen ist, dass Staaten mit sehr hohen Emissionen früher und entschiedener ihren Ausstoß an Klimagasen verringern müssen, während geringer  entwickelte Staaten ihre Emissionen zunächst noch kurzfristig steigern können.  Sollte ein Staat Kohlekraftwerke errichten und betreiben, wäre das unter Einhaltung seines Minderungsbeitrages möglich.

10. Wie soll die tatsächliche Einhaltung des „2-Grad-Ziels“ gemessen werden,
und von welchem „vorindustriellen Wert“ geht die Bundesregierung für die
Ermittlung aus?

Antwort der Bundesregierung:

Die Überprüfung der Einhaltung des Zwei-Grad-Zieles erfolgt, indem das jeweilige Niveau der globalen Erwärmung mit Referenzwerten bei vorindustriellen Bedingungen verglichen wird. Das jeweilige Niveau der globalen Erwärmung wird  meist als Durchschnitt über einen Zeitraum von 30 Jahren bestimmt. Die Veränderung wird mit Hilfe naturwissenschaftlicher Algorithmen, aus Beobachtungsdaten und aus sogenannten Reanalysen (aufwändige Modellrechnungen, die die Beobachtungsdaten ergänzen) bestimmt. Bezüglich des vorindustriellen Wertes  der globalen Mitteltemperatur wird auf die Vorbemerkung sowie die Antwort der  Bundesregierung zu Frage 1 der Kleinen Anfrage der Fraktion der AfD auf Bundestagsdrucksache 19/6899 verwiesen.

11. Um wie viel Grad Celsius wird die globale Erwärmung durch den deutschen
Kohleausstieg aus Sicht der Bundesregierung gemindert, und wie begründet
sie ihre Einschätzung?

Antwort der Bundesregierung:

Eine isolierte Betrachtung des Effekts des deutschen Kohleausstiegs auf die Erderwärmung ist nicht ohne Weiteres möglich. Der deutsche Kohleausstieg ist, so wie das Ziel einer Treibhausgasreduktion um 80 Prozent bis 95 Prozent bis 2050 gegenüber 1990 bzw. einer weitgehenden Treibhausgasneutralität, ein nationaler Beitrag zur Lösung eines globalen Problems. Ein deutscher Kohleausstieg wäre zudem ein Signal an die Völkergemeinschaft, dass ein hochindustrialisiertes Land sich konsequent zu einer treibhausgasneutralen Gesellschaft transformiert. Dies hat nicht nur Vorbildcharakter sondern ist auch ein Standortfaktor und kann Deutschland einen wirtschaftlichen Vorteil bei innovativen Techniken und Technologien verschaffen. Wenn andere Staaten dem Beispiel folgen, kann eine Erderwärmung mit unkontrollierbaren Folgen vermieden werden. Des Weiteren wird auf die Antwort zu Frage 9 verwiesen.